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Geschichte der Württemberger Pikade

Originaltext von Rudi Diem, Eldorado - Misiones, Argentinien
Webbearbeitung - Hubert Späth

Am 24. Februar 1924 verließen fünf Familien das Schiff „Cunatay“.
Die Gruppe bestand aus fünf Familien:
Wilhelm Diem, Ehefrau Pauline sowie Otto, Wilhelm (J), Eugen und Richard.
Außerdem:
Gustav Diem und Friedericke sowie Frieda und Gustav (J),
Karl Nolff und Berta, Willy, Erwin, Elsa und Karl (J) Kinder.
Karl Werner und Karoline mit zwei Töchtern Marta und Frieda.
Wilhelm Werner und Klara, Gertrud und Else.
Drei Junggesellen Robert Wendnagel, Karl Beutelspacher und Otto Künzel.
Ende des Jahres 1924 kamen noch drei Familien und ein Junggeselle dazu, Heini Nolff.
Wilhelm Schäfer und Wilhelmine und Sohn Albert.
Sebastian und Pauline Schlagenhauf und Sohn Albert.
Julius und Pauline Bayer sowie drei Kinder, Otto, Eugen und Emma.

Die gesamte Gruppe bestand aus acht Familien und vier Junggesellen alle aus demselben Dorf Großgartach bei Heilbronn am Neckar, Provinz Württemberg.
1960 wanderte noch Ruth Pfenninger nach Eldorado aus.

Bevor diese Reise der Hoffnung auf ein neues Leben und eine bessere Zukunft in der neuen Heimat begann, hatten alle versprochen, sich nicht zu trennen. Alle würden in Eldorado Misiones, Argentinien einwandern und sesshaft werden.

Adolf J. Schwelm gründete am 29. September 1919 Eldorado. Die Kolonie war 67 500 Hektar groß, liegt in der Zone des Alto Parana, grenzt im Norden an den Fluss Piray Mini (kleines Fischwasser), im Süden an den Piray Guazu (Großes Fischwasser), im Westen an den Parana und im Osten an den Bezirk San Pedro.

Die heutige Stadt Eldorado liegt innerhalb der Provinz Misiones und ist 121 Kilometer von Iguazu entfernt. Bis Buenos Aires sind es ungefähr 1 806 Kilometer per Schiff und rund 3 000 Kilometer auf der Landstraße.

Durch die großen Niederschläge ist das Klima subtropisch, sehr feucht, mit 1 800 bis 2 000 Millimeter Regen jährlich. In dem schwülen Klima steigt die Temperatur bis zu 45 Grad im Sommer und fällt bis auf 12 Grad Minus (dies sind jedoch Ausnahmefälle). Die Erde der Region ist rötlich durch das Eisenoxyd, das sie enthält und sehr fruchtbar. Die Region war am Anfang dicht bewaldet, mit unzähligen Baumtypen von wertvollen Hölzern - um die 700 Arten. Viele Bäche kreuzen die Kolonie und düngen den Boden mit ihren Ablagerungen.

Der Tierbestand war am Anfang sehr groß und war dadurch eine wichtige Hilfe für die Kolonisten, da es an Rindfleisch fehlte. An Insekten gab es unzählige Schmetterlinge und eine Unmenge an Ameisensorten machten den Kolonisten das Leben schwer. Vor allem die Schlepperameisen waren die schädlichsten, die die Tung- und Orangenanpflanzungen überfielen. Später, in den sechziger Jahren, begann man mit der Aufforstung der Chacras (Felder) durch Pino Parana (Araucaria Angustifolia). Zecken "Garrapatas" waren und sind bis heute ein großes Problem für die Viehzüchter.

Im Jahre 1918 gab es einen Aufruf zu einer Versteigerung von rund 67 500 Hektar Land in Misiones, als Nachlass des verstorbenen Carlos Segguin. Herr Adolf J. Schwelm beauftragte seinen Freund Jose Guerrice, diese Ländereien in seinem Namen aufzukaufen. Im Jahre 1919 reiste er nach Posadas und schiffte sich in einen kleinen Flussdampfer namens „Cunatay“ ein, welcher zwischen Posadas und Puerto Aguirrel pendelte.

An seinem Geburtstag, dem 29. September 1919, erreichte er die Küste, an dem später der alte Hafen von Eldorado liegen sollte. Er war in Begleitung eines Landeskenners, Herrn Oscar Quincoses. Als Schwelm diesen üppigen Tropenwald vor sich sah, kam ihm der Gedanke, diese Gegend „Eldorado“ zu nennen – in Erinnerung an das andere mysteriöse Eldorado, der Himmel auf Erden.

Dies war der Anfang. Die Entstehung der Kolonie Eldorado. Die erste Landvermessung wurde von Herrn Adolfo Pomar durchgeführt, der den Nullpunkt bestimmte und den ersten Grenzstein am Flussufer setzte. Dies war der Ausgangspunkt für die Landkarten der späteren Kolonie.

Vom Jahre 1921 an reiste Herr Schwelm regelmäßig, alle zwei Jahre, nach Europa.  Dies geschah bis 1938. Dort entwickelte er Reklame für die Ländereien, um Kolonisten in die Zone zu bringen. Er hatte Büros in London, Berlin und Paris. Durch diesen Reklamezug kam ein Agent von Schwelm nach Großgartach, wo er Reklamezettel austeilte, die in Deutsch und in Englisch gedruckt waren. Auch gab es einen Film und Erörterungen über Eldorado.

Herr Schwelm hatte immer mehrere Personen zu Diensten, darunter Herrn Schmidt als persönlichen Valet. Die Herren Mulgrave und Bavier waren für die Verwaltung zuständig, später Herr Gueslein. Als Hausdiener waltete Herr Adolf Hummel. Herr Lazare Espindola war Aufseher und hatte das ansässige Personal unter sich. Ausserdem sorgte er für das Abholzen und den Straßenbau. Herr Hermann Durian war Aufseher der deutschsprechenden Arbeiter, unterwies neuankommende Kolonisten in Bezug auf Wohnungsbau und Pflanzungen und war dafür zuständig, die Neuankömmlinge, dessen Anzahl von Tag zu Tag anwuchs, auf ihre Landstücke zu führen. Allgemeinverwalter war Herr Pauline Olivera.

Schwelm ließ eine Versuchsfarm aufbauen, um den Kolonisten zu zeigen, wie sie den Boden bewirtschaften und bearbeiten sollten. Man arbeitete damals mit technisch ausgebildetem Personal zur Vorbereitung der Treibhäuser für Obst und Früchte und für die Gemüsegärten. Dies alles unterstand Herrn Meises Bertonis Sohn, dem Schweizer Weisen Bertoni, einem außergewöhnlichen Experten in Landwirtschaft. Es begleiteten ihn die Gärtner Friedrich Xander und Hans Pendler.

Durch dieses ausgefeilte Kolonialsystem konnten sich die Kolonisten eine sichere Zukunft aufbauen - mit großen Opfern und Gottesglauben. Ohne alldem hätten sie die Einsamkeit und das Heimweh nicht ertragen.

Im Bezug aufs geistige Leben hat Pater Friedrich Rademacher sehr viel beigetragen. Er war mit Schwelm befreundet und hat den Kolonisten sehr geholfen. Er hat im Jahre 1920 im Schwelm Park am Ufer des Parana Flusses die erste Messe gelesen.

Die erste Kolonistengruppe, die am 8. Juli 1920 Eldorado erreichte, bestand aus drei Familien, Hans Marcovics, Josef Heidinger und Balduin Rieger. Sie kamen aus Rio Grande De Sul, Brasilien.

Am 6. Januar 1924, an einem sehr kalten und verschneiten Morgen, verlässt eine Karawane mit 7 voll beladenen Wagen Großgartach, um in einer unbekannten Welt ein neues Leben zu beginnen. An der Bahnstation wurde alles nach Hamburg verfrachtet. Von dort aus per Schiff auf den Ozeanriesen „Holm“. Unter deutscher Flagge, ging es nach Buenos Aires in Argentinien. Nach sechs Wachen ruhiger Seefahrt erreichten sie den Hafen. Die fünf Familien und die drei ledigen Männer bildeten eine Gruppe von 27 Personen, die Familien Gustav Diem, Wilhelm Diem, Karl Werner, Wilhelm Werner und Karl Nolff. Die Leidigen waren Karl Beutelspacher, Robert Wendnagel und Otto Künzel.

Die Leute waren auf den Gedanken gekommen, auszuwandern, als Europa durch den ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 schwer heimgesucht wurde. Essen wurde rationiert, die Arbeitslosigkeit stieg ständig an, man hatte keinen Markt für seine Produkte, Geld verlor seinen Wert und die Preise schossen durch die Hyperinflation in die Höhe. Die Landsleute waren verzweifelt, hatten alle Hoffnung in eine Zukunft verloren.

Dies war der geeignete Moment, eine gute Werbekampagne aufzustellen, um Leute als Kolonisten nach Eldorado-Misiones in Argentinien anwerben. Das Büro dafür war die Compania Eldorado Colonizacion y Explotacion de Bosques Limitada S.A. in Viamonte 550, Buenos Aires und Adolfo Julio Schwelm war deren Präsident.

Allen Kolonisten wurden bei ihrer Ankunft in Buenos Aires drei bis fünf Tage kostenlose Unterkunft im Einwanderungshotel „Hotel de Inmigrantes” gewährt, wo sie sehr gut behandelt wurden. Schwelms Personal kümmerte sich um die Einwanderer, die täglich eintrafen, um die Leute, die Land kaufen wollten und um die Verfrachtung des Gepäcks.

Wenn die Zoll- und Einwanderungspapiere fertig gestellt waren, wurden die Einwanderer per Bahn nach Misiones geschickt. In 36 Stunden bis Posadas. Dann ging es auf dem Fluss Parana mit einem Flussdampfer weiter nach Norden .

Die zuvor erwähnten fünf Familien brachten ihre Halbseligkeiten, ihr Werkzeug, Geschirr, Bettwäsche und Bücher mit.  Unter ihnen durfte natürlich die Bibel nicht fehlen und das kirchliche Gesangbuch, das zum Geistigen Leben half. Der Weihnachtsbaumschmuck war natürlich auch dabei. Da es keine Tannen als Weihnachtsbäume gab, wurden sie durch Alegrin ersetzte, ein ähnlich aussehender Baum aus dem Wald.

Der Flussdampfer „Cunatay" fuhr den prächtigen Fluss Parana hoch, durch herrliche Landschaften mit üppig überwachsenen Steilufern und jungfräulichem Urwald. Das Schiff ankerte ein paar Meter vom Ufer entfernt neben einer Sandbank. Der Kapitän gab im Hafen von seiner Ankunft Bescheid, indem er eine schmale Stiege hinaufging. Oben war Urwald, rechts und links und soweit das Auge reichte - nichts als Urwald.

Das war Eldorado. Viele erzählten, dass sie durch Schwindel oder Betrug hergekommen waren, denn das ihnen vorgestellte Eldorado existierte so nicht. Während sie am Ufer darauf warteten, dass ihr Gepäck auf Booten an Land gebracht wurde, näherte sich ihnen ein Mann namens Adolfo Hummel. Er hieß sie willkommen. Er sprach sehr wenig deutsch, denn sein Vater war Deutscher und seine Mutter Guarani Indianerin, aber er konnte sich mühselig verständigen.

Herr Fortunato Lopez war der Transporteur, der das Gepäck zum Einwandererhotel brachte. Dies war ein sehr rustikales Holzhaus, alles andere als ein Hotel. Zuständig war Witwe Kiounka. Hier wohnten sie ein paar Tage, aber alles war zu eng für die Menge an Leuten. Herr Schwelm schlug ihnen eine für sie vorgesehene Siedlungszone vor, 14 Kilometer landeinwärts. Die Straße Pikada Maestra, war bis auf Kilometer 11 fertig gestellt, heute gegenüber dem Land der Familie Albert Locher.

Auf diesem Landstück ließ Herr Schwelm einen großen Schuppen aus Bambus und Pindo Palmen Blätter bauen. Diese dienten als Dach, zwanzig Meter lang und vier Meter breit. Jede Familie durfte ein Zimmer 4 mal 4 Meter bewohnen. Die Bettgestelle wurden als Waldhölzern und gerissenen Bambuslatten hergestellt. Die Matratzen waren aus Maisschalen. Die Betten waren nicht sehr gemütlich. Die Küche wurde aus demselben Material gebaut und war für den allgemeinen Gebrauch gedacht. Während diese provisorische Unterkunft im Bau war, einigte man sich mit Herr Schwelm auf den Kauf ihrer Ländereien, drei Kilometer entfernt, heute die Achtzehner Pikade, nach dem Friedhof. Die ersten fünf Landstücke gehörten mit der Lote Nummer 242 Herrn Schwelm, zusammen mit seinem Sohn Gustav. Lote Nummer 243 S war für Wilhelm Diem, Lote 243 N für Otto Diem, Lote für 244 Karl Nolff, Lote 244 N für Otto Künzel, Lote 246 N für Wilhelm Werner, Lote 246 S für Robert Wendnagel und Lote 247 für Karl Werner.

Ende des Jahres 1924 kamen noch mehr Familien in die Württemberger Pikade. Herr Ruppelt kaufte Lote 241, Sebastian Schlagenhaufer Lote 245 S, Julius Bayer Lote 245 N, Lote 260 kaufte Wilhelm Wieland, Lote 259 Ernst Wiedmann, Lote 258 Berthold Reihle, Lote 257 stand Wilhelm Schäfer zu und Ernst Meissner kaufte Lote 262. Hermann Durian hatte ein Stück Land von Barrio Oleaginosa gekauft. Familie Karl Hecker kam später. Die Industria Oleaginosa S.A. kaufte ein Stück Land von Arthur Lehmann, auf dem eine Tungöl Mühle gebaut wurde. Es sind Teile von den Lotes 260, 262 und 272. So entstand der Barrio Oleaginosa. Der Vorstand der Oleaginosa baute für 100 Arbeiter und ihre Familien Wohnhäuser, insgesamt für 500 Personen.

Die Landstücke wurden gekauft und der Schuppen bei Albert Locher war auch fertig. Da die Einwanderer noch im Einwanderer-Hotel wohnten, hat Fortunato Lopez wieder sämtliches Gepäck auf seinen Wagen geladen, um es in den Schuppen zu bringen. Durch die schmale und wenig befahrene Gasse war das sehr langwierig und er brauchte fast einen ganzen Tag dazu. Die schlimmsten Feinde waren dabei das Unkraut und der schlechte Zustand der Straße. Sie mussten öfters anhalten, um das Gepäck zurechtzurücken. Er machte mehrere Fahrten. Als sie endlich angekommen waren, mussten die Einwanderer sehen, wie sie zurechtkamen. Sie mussten sich jetzt selbst versorgen. Für die Neulinge war das sehr schwer.

Aber da fingen die Schwierigkeiten erst an. Sie kannten die Landessprache nicht und Schulen gab es auch keine. Im Hafen gab es einen auf Kilometer zwei ein Almacen, ein Kaufladen (Mehrzweckladen), der Familie Degner gehörte. Die erste Arbeit war in der Nähe eines Bachs einen halben Hektar Wald zu schlagen, um ihre Häuser zu bauen. Etwas gemütlichere Wohnungen mit Fußböden und Wänden aus Brettern, von Hand aus den Waldstämmen gesägt. Die Dächer waren auf dieselbe Weise aus Holzschindeln hergestellt. Jetzt hatten sie endlich würdige Wohnungen. Für die Dachschindeln benutzte man Hartholz wie incienso, guayuvira, ceibo oder cedro (Zedern) welches 30 oder 40 Jahre lang hält. Das Maß der Schindeln war 60 mal 30 Zentimeter. Alle Balken und Streben wurden von Hand bearbeitet. Die Männer kamen jeden Tag zusammen und halfen sich gegenseitig. Die Frauen bereiteten das Mittagsessen für alle zu und schleppten es mittags auf schmalen Pfaden durch das Gestrüpp zur jeweiligen Baustelle. Als alle Häuser fertig waren, kam der große Umzug.

Auf Kilometer zehn wohnte Kolonist Adam Hartmann. Er kam aus Rio Grande Do Sul (Südbrasilien) und hatte bereits gewisse Erfahrung. Bei ihm kauften sie die erste Mandioka (Yuca) und Milch. Dort probierten sie auch zum ersten Mal Mate-Tee und das Matetrinken. Anfangs fanden sie dieses Getränk sehr bitter, aber langsam gewöhnten sie sich daran und am Ende waren alle gute „Materos" Matetrinker. Die nötigsten Werkzeuge haben sie aus Deutschland mitgebracht.

Nach dem Abholzen wurde die Rosse gebrannt und nach drei Wochen ging es an die harte Arbeit, die Wurzeln auszugraben und diese zu verbrennen. Dann konnte man anfangen, zu pflanzen. Mandioka ersetzte das Brot, da es wenig Mehl gab. Man baute Süßkartoffeln (Batatas), Bohnen, Mais und Gemüse an. Dafür hatten sie Samen aus Grossgartach mitgebracht. Sie kauften Hühner und Eier, um mit der eigenen Zucht anzufangen. Später kauften sie auch noch eine Kuh.

Die ersten Yerbapflanzen und Samen, um Treibhäuser für die zukünftigen Pflanzungen aufzubauen, kauften sie dem Kolonisten Adam Hartmann ab. Ein Hektar Land wurde abgeholzt, um Tabak anzupflanzen. Die jährlichen Ernten wurden bar bezahlt und das war auch nötig, denn das Bargeld ging zu Ende. Das erste Unternehmen, das Tabak aufkaufte, war Picardo y Compania in Eldorado, vertreten durch Milo Ptronicovich.

Zu dieser Zeit gab es ungefähr sechzig Familien in der Kolonie. Dann kamen noch drei Familien aus Grossgartach ins Württemberger Tal und später noch einige aus Württemberg. So war das Tal komplett.

In den sechziger Jahren kam ein schwäbisches Ehepaar, das ein Buch über die Schwaben im Ausland geschrieben hatte. In diesem Buch nannten sie die Kolonie Württemberger Pikade oder Klein-Großgartach. Denn nirgendwo hatten sie so viele Landsleute zusammen gesehen.

In dieser ersten Etappe war die Frau unbestreitbar diejenige, die die schwerste Last zu tragen hatte. Sie musste die Familie versorgen, auf offenem Holzfeuer kochen, im Bach die Wäsche waschen, Wasser von der 200 Meter entfernten Quelle holen, auf dem Acker helfen, die Tiere füttern und den Gemüsegarten instand halten. Das Schwierigste war jedoch, mit dem wenigen, was sie zur Hand hatte, ein Essen auf den Tisch bringen. Das Fleisch dazu bekamen sie von der Jagd und der Fischerei.

Die Kleidung, die sie aus Deutschland mitgebracht hatten, zerfiel. Die Frauen mussten aus Sackleinen neue Kleidung herstellen und flicken. Wenn ein Kind krank wurde, wachte sie die ganze Nacht an seinem Bett, ohne zu schlafen. Oder sie musste bis spät in die Nacht, bei schwachem Lampenlicht, Kleider nähen und ausbessern.

Gesellschaftlich waren die Einwanderer praktisch total isoliert, ohne Fortbewegungsmöglichkeit. Es gab nur seltene Nachbarschaftsbesuche. Die ersten Kolonisten mussten sich an den Wald gewöhnen, ans Reiten, an den Hausbau, an den Ackerbau und ans Ungeziefer. Sie lernten Moskitostiche kennen, Sandflöhe und Uras (Larven einer Mücke, die unter der Haut heranwuchsen, bis sie fliegen konnten). All diese Unannehmlichkeiten erzeugten Juckreiz und vereiterte Wunden (Klimawunden), die sie öfters das Leben kosteten, denn der Sandfloh z.B. verbreitete Tetanus. Auch mussten sie Malaria (Chuchu) ertragen, eine Krankheit, die durch Moskitostiche übertragen wird. Es gab weder Ärzte noch Drogerien. Sie mussten sich mit Hausmitteln behelfen. In sehr schwierigen Fällen mussten sie versuchen, nach Posadas (Hauptstadt der Provinz Misiones) zu kommen, wo es ein staatliches Hospital gab.

Die Kolonisten warteten die ersten Ernten ab, um an Bargeld zu kommen. Im Laden kauften sie nur das Nötigste, wie Salz, Mehl und Zucker. Der erste Ladenbesitzer war Herr Abrecht auf Kilometer drei. Corned-Beef hat am Anfang das frische Fleisch ersetzt. Es wurde sehr wenig Rindfleisch konsumiert, denn der nächste Fleischladen war auf Kilometer zwei. Er gehörte Felipe Alegre. Später eröffnete auch auf Kilometer zwei Claudio Rodrigo einen Mehr-Zweck-Laden. Er nahm die Produkte der Felder als Bezahlung an. Das war sehr wichtig für die Kolonisten.

Transportmittel innerhalb der Kolonie waren Pferde oder Sulkys, ein leichter zweirädriger Wagen. Sehr oft wurden auch zu Fuß Lasten getragen oder sie wurden auf Ochsenwagen transportiert. Das Wichtigste waren Stämme, die zum Sägewerk gebracht wurden, um sie zu Brettern zu sägen.

Öffentliche Transportmittel gab es erst ab 1930. Victor Demarchi und Zacarias Ramos waren die ersten, die Leute vom Hafen bis auf Kilometer neun transportierten - zwei Mal am Tag. Später wurde das Transport System verbessert. Die E. T. C. E. Empresa de Transporte Colectivo Eldorado von Arenhardt und Tiemesmann fing am 25. Mai 1944 an, zu arbeiten. Die E. T.  A. E. Empresa de Transportes Automotores Eldorado mit Büros und Werkstatt in Puerto Rico - Misiones, war der erste Betrieb, der eine Buslinie nach Posadas eröffnete, als die lange erwartete Landstraße, Ruta doce gebaut war.

Auf dem Wasserweg war das erste Boot die „Ituzaigo", die regelmäßig den Parana befuhr. Dazu kamen die „Cunatay", die „Iguazu", die „Uruguayo", die „Espana", die „Asuncion", die „Salto" und die „Iris". Außerdem die „Eldorado", ein Frachter mit Kabinen für Passagiere und der Luxusdampfer „Guayra". Als Schnellboot und Taxi fuhr die „Don Gonzalo", deren Besitzer Herr Oberling war. Der Liegeplatz eines Boots war der Hafen von Eldorado.

Das geistige Leben war für die Kolonisten sehr wichtig, denn um in dieser schwierige Zeit zu überleben, bedarf es des Glaubens und der Hoffnung. Die Leute kamen im Hotel „Neue Heimat" von Federice Durian auf Kilometer fünf zusammen. Das war auf gewisse Weise das kulturelle Zentrum der Kolonie. Dort wurde auch am 21. September 1924 die Deutsche Evangelische Gemeinde von Eldorado gegründet.

Herr Karl Nolff (V) repräsentierte die Württemberger und wurde in den Vorstand gewählt, sowie Karl Werner in dessen Haus Gottesdienst abgehalten wurde.

Lokale Agenda 21

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