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Juliane Freifrau von Krüdener (1766-1824)

Geboren 1766 in Riga, gestorben 1824 in Krim,
Zusammenkunft mit Zar Alexander I. am 4.6.1815 in Heilbronn.
Schluchtern war längere Zeit Zufluchtsort für Frau von Krüdener. Sie lebte in Räumen der Mühle Geßmann.


Frau von Krüdener auf dem Rappenhof, in Heilbronn und Schluchtern. Im Jahre 1815.

So lautet die Überschrift zu einer Abhandlung, die im Jahre 1875 in einem Heft des Historischen Vereins für das württembergische Franken erschienen ist. Durch einen Zufall bin ich darauf gestoßen - und ich habe mich darüber gefreut.

Richtig interessant wird die Sache natürlich erst, wenn man weiß, wer diese Frau von Krüdener ist, deshalb in Kürze ihre Lebensgeschichte.

Juliane, Freifrau von Krüdener war von kurländischem Adel, 1766 in Riga geboren. Ihr Vater, Baron Viettinghoff, einer der reichsten und gebildetsten Kurländer, ließ der begabten Tochter eine sorgfältige Erziehung angedeihen, doch zeigte diese schon damals einen Hang zu Phantasien und Schwärmerei. Schon mit 14 Jahren vermählte man sie mit dem Diplomaten Freiherr von Krüdener, der anschließend nach Kopenhagen, Venedig u.a.O. berufen wurde. In der Gesellschaft wurde die junge Frau überall bewundert und gefeiert, war aber innerlich unzufrieden, fühlte sich unausgefüllt und träumte von der Verwirklichung menschlicher Ideale. Sie trennte sich deshalb von ihrem Mann, nahm aber alle Schuld auf sich. Die meiste Zeit hielt sie sich nun in Paris auf, ihr Salon bildete einen Mittelpunkt der Gelehrten, Dichter und Künstler, mit denen sie, voll Geist und Liebenswürdigkeit, Umgang pflegte. Sie versuchte sich auch als Schriftstellerin, ihr Roman „Valerie" hatte einigen Erfolg.

Aber auch dieses Leben befriedigte sie nicht, verursacht ihr eher Überdruss. Da wandte sie sich pietistischen Kreisen zu, machte Bekanntschaften mit Jung Stilling, interessierte sich für das Wirken der Brüdergemeinde und die Tätigkeit Oberlins, der im elsässischen Münstertal zeigte, wie man praktisches Christentum übt. Auch von okkultistischem Schrifttum fühlte sie sich angezogen. Sie wollte jetzt durch Verkündigung des Evangeliums der leidenden Menschheit das Glück bringen. Es war sicher eine ehrliche und aufrichtige, aber übersteigerte, exaltierte Frömmigkeit. In Paris, Straßburg, Lörrach, Karlsruhe lehrte sie und fand begeisterte Anhänger. Weniger Sympathien genoss sie bei den Behörden, sie verursachte Unruhe und manche ihrer Vorstellungen, die z.B. einen frühchristlichen Kommunismus anstrebten, waren ja beinahe staatsgefährlich. So suchte man sie überall rasch wieder loszuwerden.

Auf diese Weise kam sie auch 1808 nach Württemberg und zwar auf das Gut Katharinen-Plaisier am Fuße des Michelberges bei Bönnigheim. Aber auch dort verlief die „christliche Kolonisation" recht unglücklich. Einer ihrer treuesten Anhänger, der ihr von Genf aus mit seiner ganzen Familie gefolgt war, der Pastor Fontaines, mußte nun im Jahre 1815 in ihrem Auftrag das Landgut Rappenhof zwischen Weinsberg und Lehrensteinsfeld, kaufen. Ruhe und Frieden fand sie jedoch auch an diesem idyllischen Fleckchen nicht, aber jetzt nahte die Stunde ihres großen Auftritts, der sogar in die Weltgeschichte eingegangen ist. - die Zusammenkunft mit Zar Alexander I.

Wir erinnern uns, dass im Jahre 1815 Napoleon von Elba zurückgekehrt war und dass die Verbündeten Heilbronn als Ort für die Aufstellung eines Heeres bestimmten, das ihm entgegentreten sollte. Am 4. Juni traf Zar Alexander, von Wien kommend, in Heilbronn ein, wo er mit Kaiser Franz von Österreich und Kronprinz Wilhelm von Württemberg zusammentraf. (Der kleine Tagebuch-Verfasser Ernst Heinrich durfte damals nach Heilbronn fahren „um die Monarchen zu sehen".) Und nun war auch der Augenblick für Frau Krüdener gekommen. Sie sah in dem Zaren einen edlen, ebenfalls von Humanitätsidealen erfüllten großen Herrscher und fühlte sich ihm geistes- und gemütsverwandt. Persönlich kennengelernt hatte sie ihn vorher noch nicht, wohl aber hatte Kaiser Alexander schon viel von dieser Dame gehört und wünschte lebhaft, sie persönlich kennenzulernen. Dieser Wunsch wurde dadurch gesteigert, dass Frau Krüdener prophezeit hatte, dass Napoleon im Triumph von Elba zurückkehren werde.

Alexander nahm in dem Rauch'schen Palais Quartier. (Es bildete den südöstlichen Abschluss des Marktplatzes).

Doch lassen wir nun Herrn Friedrich von Rauch, nach den Erinnerungen seiner Großmutter, selbst erzählen (also im Jahre 1875). „Der Kaiser zog sich, ermüdet von den Festlichkeiten, zeitig in seine Zimmer zurück. Die übrigen Räume waren voll von Offizieren und Angehörigen des kaiserlichen Gefolges. Spät noch meldete sich eine Dame mit dem dringenden Verlangen, vor den Kaiser geführt zu werden, den Namen von Frau Krüdener angebend." Die puritanische Erscheinung und das Verlangen seien auffallend genug gewesen, um Verhaltungsmaßregeln einzuholen, während dem die Dame unter der Dienerschaft gewartet habe; aber bei Nennung des Namens Krüdener sei sie sofort von einem Adjudanten abgeholt und mit höchster Ehrerbietung am Arm in das Zimmer des Kaisers geführt worden.

Die Unterredung dauerte 3 Stunden. Dass der missionarische Eifer und das Selbstbewusstsein der Frau von Krüdener auch durch die Gloriole einer kaiserlichen Majestät nicht erschüttert werden konnte, zeigte der Verlauf des Gesprächs.

Da heißt es dann: "Frau von Krüdener begann sogleich, mit kühnen Worten dem Kaiser seinen inneren Zustand zu enthüllen. „Nein, Sire", sagte sie „Sie haben sich noch nicht gebeugt vor Christus, wie ein Verbrecher, der um Gnade fleht. Sie haben noch keine Gnade gefunden vor dem, der allein auf Erden die Macht hat, die Sünden zu vergeben; Sie haben sich noch nicht gedemütigt vor Jesus; Sie haben noch nicht, wie der Zöllner, aus der Tiefe Ihrer Seele geschrien: O Gott, sei mir großem Sünder gnädig! - Darum können Sie keinen Frieden finden! Hören Sie die Stimme einer Frau, welche auch eine große Sünderin war, aber Verzeihung zu den Füßen des Kreuzes fand." Selbst erschrocken über die Wirkung ihrer Worte an ihren Souverain, bat sie um Verzeihung; der Kaiser bat sie, fortzufahren, denn ihre Worte seien Musik für seine Seele. - Alexander verabschiedete tief ergriffen Frau von Krüdener, welche in später Nacht wieder von dem nun abgebrochenen Gasthof zu den drei Königen hinaus auf den Rappenhof fuhr, den sie nun bald ganz verließ, um dem Kaiser auf dessen Aufforderung zunächst nach Heidelberg mit ihrer Tochter und Pastor Empaytaz zu folgen, wo sie am 9. Juni eintraf und in der Nacht mit ihm auf dem Schoße gebetet haben soll. Von Heidelberg aus ging es nach Paris.

Der Rat Frau von Krüdeners fand nun für die nächste bedeutungsvolle Zeit bei Alexanders Entschließungen, die „Heilige Allianz" betreffend, offenes Gehör. Alexander gab darin seinen eigenen und den von Krüdenerschen christlich philanthropischen Ideen Ausdruck.

Die Heilige Allianz war dann in ihrem Ergebnis das Bündnis, dem nach Zar Nikolaus, der Kaiser von Österreich und der König von Preußen sich feierlich anschlossen, fast alle christlichen Monarchen folgten. Alle sicherten sich gegenseitig Bruderliebe und Hilfe zu, sie erklärten die Religion, den Frieden und die Gerechtigkeit aufrechterhalten zu wollen. Es handelte sich also im Wesentlichen um die Anerkennung einer sittlichen Verpflichtung. Unmittelbar politische Folgen hat die Heilige Allianz nicht gehabt. Was hat nun aber Frau von Krüdener mit Schluchtern zu tun?

Hören wir, was der vor hundert Jahren dort amtierende Pfarrer Lindenmeyer dazu sagt: „Sicher ist, dass Frau von Krüdener in Schluchtern, damals schon badische Enklave, einen längeren Bergungsaufenthalt (Zufluchtsort) gehabt hat. Sie bewohnte in dieser Zeit drei kleine sehr still, aber idyllisch gelegene Zimmer in der hiesigen Koch'schen, von Baum- und Grasgärten umgegebenen und von Armen des Leinbachs umrauschten Mühle, deren Eigentümer offenbar damals wie heute sich durch einen unbefangenen Sinn und freundliches Entgegenkommen gegen Gebildete ausgezeichnet haben".

Spuren der Anwesenheit von Frau von Krüdener sind noch vorhandene Möbel, nämlich die Schreibkommode und ein Aufschlagtisch derselben samt ihrem Kruzifix von Holz. Die Dame führte ein sehr stilles Leben, unterbrochen durch Empfang von Besuchen und einzelnen Touren nach Ludwigsburg und Stuttgart. Bei der älteren Generation in Schlüchtern steht sie in sehr gutem Andenken, indem sie in den von ihr Werktags abends und sonntags nach dem Gottesdienst gehaltenen Stunden, in welchen man knieend betete, und der von ihr bei sonst sehr einfachem Leben geübten Wohltätigkeit den Eindruck einer echt religiösen Frau machte. Ihre Gesellschaft bestand einzig in einer Kammerjungfer, welche ihr Faktotum war.

Auf die Jakob Koch'sche Familie übte die Krüdener so großen Einfluss aus, dass diese unter dem Eindruck ihre apokalyptischen Auslegungen sich veranlasst sah, mit nicht unbeträchtlicher Habe ihr nach Russland (Odessa) nachzuziehen, wo sich ein Zufluchtsort für die christliche Krüdener'sche Gemeinde gefunden hatte.

Ein reicher Briefwechsel samt Autographen der Frau von Krüdener wurde leider um das Jahr 1849 getilgt.

Der Einfluss, den Frau von Krüdener auf den Zaren ausgeübt hatte, hielt nicht an. Als sie, ausgewiesen aus der Schweiz, durch Deutschland reiste, wurde sie, wie eine Geächtete, überall von der Polizei begleitet. Schuld daran waren nicht nur ihre Ideen, die sich nicht immer mit der Staatsräson vertrugen, sondern auch ihr Anhang. Dieser bestand zum großen Teil aus Personen, welche die Baronin schamlos ausnützten, arbeitsscheu waren, durch frommes Getue ihr Vertrauen erschlichen, es vor allem aber auf ihr Geld abgesehen hatten. Dieses floss zeitweise sehr reichlich, denn die großen baltischen Güter warfen beträchtliche Einnahmen ab. Aber großzügig wurde es wieder ausgegeben, so dass manchmal nicht mehr das Geld für die Weiterreise vorhanden war. Eine der übelsten Figuren, die sich der Baronin an die Fersen heftete, war die Kummerin aus Cleebronn. Diese war die Tochter eines Weingärtners, eines „Erleuchteten". Dieser hatte schon einen geistlichen Kreis um sich zu scharen gewusst und sich einem behaglichen Leben hingegeben. Die Tochter Maria Gottliebin nahm an den Versammlungen ihres Vaters teil und ihre ohnehin nicht normale Phantasie geriet dort vollends auf Abwege. Sie führte dann ein abenteuerliches Wanderleben und kam dabei bis nach Wien, wo sie angeblich katholisch geworden sei. Nach dem Tode ihres Vaters fing sie an, von Visionen zu erzählen, aber der Pfarrer vertrieb sie aus dem Ort. Sie lebte nun bei ihrer Schwester in Meimsheim und der dortige Ortsgeistliche Hiller unterstützte sie und schrieb ihre Visionen sogar nieder. Auf ihren Wanderungen stieß die Kummerin in Markirch im Elsass auf Frau von Krüdener. Dort aber hatte Pastor Fontaines von sich reden gemacht, er hatte starken Zulauf aus pietistischen Kreisen. In Wirklichkeit aber war Fontaines gar nicht Geistlicher, er hatte sein Amt erschlichen. Bei den Erleuchteten in Markirch fand die Kummerin wieder ein günstiges Feld für ihre Prophezeiungen und Visionen. Die Baronin glaubte daran. Die Kummerin und ihr Schwager wollten nach Württemberg zurückkehren und da auch Fontaines seine Stellung erschüttert sah und fort wollte, entstand der Plan, eine „Christliche Kolonie" in Württemberg zu gründen und zwar auf dem Gut Katharinenpläsier, der Besitzer, ein Hofgärtner aus Ludwigsburg, war bereit, es zu verpachten und nun konnte man mit den Bekehrungen beginnen. Fontaines amtierte in schwarzem Gewand, Frau von Krüdener in Weiß und Himmelblau und die Kummerin in einen langen Schleier gehüllt. Der Trubel währte nur kurze Zeit. Als König Friedrich erfuhr, dass bei dem Genehmigungs-Gesuch falsche Angaben gemacht worden waren, ließ er die „Christliche Kolonie" ausweisen. Es begann wieder ein Wanderleben. Die Kummerin aber war nicht kleinzukriegen. Als die Baronin dem Zaren nach Heidelberg und dann nach Paris nachreiste, war die Kummerin dabei. In letzter Stadt drängte sie sich in das kaiserliche Vorzimmer, überfiel den Zaren mit einer pathetischen Rede und brachte es sogar fertig, ihn anzupumpen. Das war dann selbst Alexander zu viel, er beschwerte sich bei Frau von Krüdener. Fontaines aber soll tatsächlich 1000 Taler locker gemacht haben. Von Paris aus kehrte die Baronin und ihr Anhang auf den Rappenhof zurück, sie wurden aber bald darauf ausgewiesen wegen sektiererischer Umtriebe, Aufforderung zur Auswanderung nach Russland und wegen Verteilung von Ordensbändern.

Frau von Krüdener starb in unablässiger Verfolgung ihrer christlichen Mission 1824 zu Karafubasar in Krim.

Otto Bögel

Quellen: Historischer Verein f. das wttbg. Franken, 10. Band - Kellen, Die Baronin v. Krüdener - Schwäb. Merkur v. 21.12.1924

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