Der Käsritt 1965 hatte ein bes. Gepräge: Er war Bestandteil der Feiern zum 1200-jährigen Bestehen der Gemeinde Großgartach. Die Gestaltung des Festzugs lag nach dem Tode von Richard Herda-Vogel nunmehr in den Händen des 1. Vorsitzenden des Heimatvereins Otto Bögel. Anläßlich der 1200-Jahrfeier wurden auch Verbindungen zu Lorsch geschaffen, nachdem im Codex des Klosters Lorsch im Jahre 765 Großgartach erstmals erwähnt worden war, und diese Verbindungen zu Lorsch, zur Stadtverwaltung, zum Heimatverein, zu den Bürgerfunken und zum Fanfarenzug, bestehen heute noch. Da die Veranstaltungen im Zusammenhang mit den 1200-Jahrfeiern nur am Rande zum Käsritt gehören, sollen sie hier nur kurz gestreift werden. Bei Gelegenheit (und wenn es die Zeit des Chronisten erlaubt) soll in einer besonderen Abhandlung auf die 1200-Jahrfeier in Großgartach und in Schluchtern eingegangen werden.
Am 5. April gab der Gesangverein Liederkranz Frohsinn ein Festkonzert unter der Leitung von Rolf Riehle mit Werken von Mohler, Zelter, Rein und Bach. Am 14. August sprach Albert Hofele im Süddeutschen Rundfunk über Großgartach in der Sendung "Mit Volksmusik ins Land hinaus". Am 8. September wurde ein Kammerkonzert aufgeführt, Rektor Bögel sprach über "das Kloster Lorsch und Großgartach" und Rektor Singer über "die alte Herrschaft Odenheim". Am 9. September wurden die Toten der Weltkriege am Ehrenmal im Friedhof geehrt. Am 10. September wurde in der Schule eine Ausstellung "Großgartach in Vergangenheit und Gegenwart" eröffnet. Am 3. Oktober beschloß ein Kirchenkonzert in der Lorenzkirche den Veranstaltungsreigen zur 1200-Jahrfeier.
Beim Dorfabend am Freitag im Zelt wirkten mit: Evang. Kirchenchor, Sängerabteilung des Sportvereins, Kath. Kirchenchor Kirchhausen, Jugendkapelle, Volkstanzgruppe, die Kunstkraftsportgruppe Neckargartach sowie als Solist Hans Müller aus Böckingen. Durch das Programm führte Fred Mogler. Am Samstag spielte die Kapelle Sperzel in der Festhalle. Beim Auswärtigenabend im Zelt sah man den Liederkranz Frohsinn, Volkstanz und Gedichtvorträge, den Singkreis Kleingartach, die Trachtengruppe Altburg und den Musikverein Großgartach mit Jugendkapelle. Otto Bögel zeigte Dias mit dem Titel "Großgartacher Alltag". Am Sonntagmorgen spielte die Jugendkapelle Großgartach zum Wecken.
Der Festzug führte erstmals über die heute noch übliche Strecke: Süd- u. Nordheimer Straße, Heilbronner- und Bergstraße (heute Kastanienstraße genannt). Unter dem Motto 'Großgartacher in Vergangenheit und Gegenwart" waren 50 Wagen und Fußgruppen aufgeboten, und 10.000 Zuschauer sahen zu und ließen sich auch von einem Regenguß nicht beeinträchtigen. Die Festzugsfolge reichte von der Jungsteinzeit über Bronzezeit, Kelten (Harchenburg), Römer, Alemannen," Kloster Lorsch und Odenheim, Bauernkrieg bis zur neueren Geschichte mit Dorfbrunnen und Gänsehirtin und leitete dann zur Gegenwart über mit Erntewagen, Weinlese, Großgartacher in aller Welt, unsere Neubürger. Zum Schluß kamen die Wagen der auswärtigen Gratulanten. Im Ehrenwagen fuhr der inzwischen zum Ehrenbürger ernannte Bürgermeister a.D. Sauter mit.
Auf dem Festplatz würdigten Heimatvereinsvorstand Bögel und Bürgermeister Hagele den Ritt zum Hipfelhof als Kernstück des Heimatfestes. Der Ritt mußte aber diesmal in strömendem Regen durchgeführt werden, trotzdem wagten sich 13 unerschrockene Reiter ins Nasse. Großgartacher Schulmädchen, der Ponyhof Neunkirchen, der Reitstall Läpple und Ponys gestalteten das Programm bis zur Rückkehr der Käsreiter. Die Jugend sandte Grüße mit einem Luftballonstart. Nach der Übergabe des Käses fanden 6 Vorläufe statt, und auf dem regennassen Boden wurden die Zeiten immer schneller. Vorlaufsieger auf der 750 m langen Strecke (2 1/2 Runden) wurden Dieter Bauer, Alfred Reber, Ernst Wagner, H. Adelhelm, Herbert Flinspach und Gerhard Zaiser. Im Endlauf siegte der 18-jährige Herbert Flinspach auf "Ebro" vor Emil Zimmermann und H. Adelhelm. In den Pausen zeigte ein Sechserzug des Reitstalls Läpple sein Können. Ein lustiges Staffelspringen und Jagdspringen beendeten das Nachmittagsprogramm. Bei Dunkelheit fand die traditionelle Reiterquadrille statt und in der Festhalle spielte die Kapelle Sperzel zum Käsreitertanz. Im Festzelt unterhielten die Musikvereine Großgartach und Schluchtern.
Das Kinderfest am Montag mit Sackhüpfen u.a. Spielen wurde von Lothar Böhringer u. Oberlehrer Weinreuter organisiert. Nach versch. Reitvorführungen sollte abends ein Lampion-Umzug den Abschluß des Käsritts bilden, der fiel aber wegen Regen aus.
Die Abrechnung des Kassierers Richard Werner für den Käsritt und das 1200-Jahrfest ergab einen Überschuß von 4.942,47 DM. Etwas Ärger gabs, als der Wein wegen des gewaltigen Durstes der Besucher ausgegangen war, und der Ersatzwein nicht allen so mundete wie sein Vorgänger. Daß das Verhältnis des Bürgermeisters zum Heimatverein von einer zwar rauen, aber ehrlichen Herzlichkeit geprägt war, zeigt ein Brief, in dem das Ortsoberhaupt versch. Mißverständnisse wegen des Festes ausräumte, und in dem er am Ende klarstellte "Denken Sie ja nicht, daß Ihre Gemeindeverwaltung Spitzbuben seien, die Sie nur übers Ohr hauen möchten. Wir wissen genau, daß dieser Standpunkt in der Bürgerschaft und damit auch im Heimatverein auftritt. Wir müssen ihn aber energisch zurückweisen, da er vollkommen unberechtigt ist. Wenn noch jemand ehrlich ist, und wenn es noch einer gut mit Ihnen meint, dann ist es Ihre Gemeindeverwaltung."‘
Für den eiligen Leser: Käsrittsieger Herbert Flinspach, Festzug: Großgartach in Vergangenheit und Gegenwart.