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Oberleutnant Kösteritz

Verschwörungsversammlung am 3.3.1833 zum Frankfurter Attentat vom 29.3.1833

Die Verschwörung des Oberleutnant Koseritz im Jahre 1833

Im Billardzimmer in Schlüchtern wurden hochverräterische Pläne geschmiedet.

Diese Kapitel der Geschichte, zwischen den Befreiungskriegen und dem Sturmjahr 1848 sich abspielend, ist weithin unbekannt. Es zeigt aber im Vergleich zu den Umsturzversuchen unserer Zeit, also der letzten Jahre, so viele Ähnlichkeiten, daß es auch schon aus diesem Grund interessant ist:

Heute wie damals ist es keineswegs die materielle Not, welche die Aufrührer zum äußersten zwingt, also nicht der Hunger, der sie auf die Barrikaden treibt, sondern es sind politische und gesellschaftliche Motive, oft noch vermengt mit persönlichem Geltungsbedürfnis. Und ebenso waren die Anführer des damals geplanten Umsturzes keineswegs Männer aus dem Bauern- oder Handwerkerstand, sondern fast ausschließlich Akademiker, fertige und angehend, vor allem Juristen, Advokaten. Unter den Anhängern und Mitläufern waren dann auch Handwerksgesellen und liberal gesonnene Bürger, eine Arbeiterschaft im heutigen Sinne gab es ja noch nicht. Eine weitere Parallele zu den Verschwörern unserer jüngsten Zeit zeigt sich darin, daß sie sich, einst wie jetzt, der Täuschung hingaben, daß das Volk, die breite Masse, ihre Ziele, gleichsam selbstverständlich, gutheiße und ihnen im Ernstfall beistehe, was sich als Trugschluß erwies.

Zur Vorgeschichte der Verschwörung.

in den Befreiungskriegen zur Abschüttlung des napoleonischen Joches (1813) waren vor allem die preußischen Heere erstmals wirkliche Volksheere, deren Geist und Tapferkeit das Schicksal Napoleons besiegelte. In den folgenden Friedensjahren fühlten die Menschen sich jedoch um die Früchte ihres Einsatzes betrogen, die Reaktion wollte keines ihrer Privilegien schmälern lassen. An den Universitäten bildeten sich deshalb Burschenschaften mit politischer Zielsetzung, im Bürgertum gründete man „Vaterlandsvereine", „Preßvereine" usw., die alle letzten Endes nur das eine Ziel verfolgten, dem Volk mehr politische Freiheit und mehr Mitspracherecht zu verschaffen. Die Regierungen antworteten mit Verhaftungen, schärferen Maßnahmen und Steckbriefen. Sieht man die Liste der letzteren genauer an, so sind darunter auch ledige Handwerksgesellen. Sicher war es bei vielen jungen Männern weniger die Erreichung politischer Ziele, sondern vor allem auch der Reiz, der Obrigkeit zu trotzen und die Lust, etwas zu wagen. Dazu kam, daß viele dieser nichtakademischen Geheimbünde studentische Bräuche nachahmten. Einen wesentlichen Auftrieb erhielten alle diese politischen Bestrebungen durch den Ausbruch der französischen Revolution im Juli 1830, bei der die Truppen zu den Massen übergegangen waren, es war ein Sieg des Liberalismus, seine geistige Ausstrahlung war nicht unbedeutend. Eine große Anteilnahme löste in jenen Jahren aber auch das Schicksal Polens und seiner Asylanten aus und trug nicht wenig zur Erhitzung der Gemüter bei. Polen war auf dem Wiener Kongress (1815) zum vierten Mal geteilt worden, Rußland wurde der Haupterbe.

Weil es dieses weite polnische Gebiet unmittelbar seinem Reich einverleibte, kam es zur Revolution im November 1930. Nach anfänglichen Siegen wurde das Heer der Aufständischen in Warschau eingeschlossen. Regierung, Reichstag und Armee er hielten jedoch freien Abzug und wurden über die Grenze in preußisches Gebiet gedrängt. Von hier aus durchquerten sie Deutschland; es handelte sich vor allem um Militärs und Angehörige der Mittel- und Oberschicht.

Auf ihrem Durchzug wurden sie nicht nur mit Mitleid, sondern mit wahrer Begeisterung aufgenommen. Man gründete Hilfskommitees, veranstaltete Freundschaftsessen, lud sie ein – und hielt feurige Reden, in denen fast nur von Freiheit die Rede war. Eine endgültige neue Heimat fanden die Polen vor allem in Frankreich. Der nationalpolnische Staatsgedanke lebte im geheimen fort, wurde in Frankreich offen gepflegt. Die politische Erschütterung dieser beiden Ereignisse in Frankreich und in Polen waren natürlich auch in den benachbarten Ländern zu spüren. Sie stellten sich der Politik Metternichs teilweise offen entgegen, so hatte z.B. "der milde Großherzog Leopold von Baden im Frühjahr 1830 die Beweise gegeben, daß er einer vernünftigen Entwicklung der Freiheit in politischen Dingen kein Hindernis in den Weg legen wolle." "In den Bewegungen der nächsten Jahre zeigte sich wiederum die nie getilgte Sehnsucht des deutschen Volkes nach einer größeren Einheit des Vaterlandes aufs Neue". Soweit glaube ich nun für den Leser ein Bild geschaffen zu haben, auf dem als Hintergrund er die nachfolgenden Ausführungen in ihrem Zusammenhang versteht.

"Die Großgartacher Versammlung," wie sie in den Prozeßakten genannt wird, müßte eigentlich richtiger "die Besprechung in Schlüchtern" heißen.

Doch erzählen wir der Reihe nach:
Um die Mittagszeit des 3. März 1833 erschien im Haus des ledigen landwirtschaftlichen Gutsbesitzers Wilhelm Herrlinger in Großgartach ungewöhnlicher Besuch: der Apotheker Trapp aus Friedberg in Hessen, der Advokat Dr. Franz Gärth aus Frankfurt, der Rechtskandidat Friedrich Breidenstein aus Homburg, also alle drei aus Hessen. Von württembergischer Seite waren schon da oder kamen noch hinzu: der Oberleutnant Koseritz und der Gürtler (Handwerker) Dorn aus Ludwigsburg. Alles also honorige Leute, mit denen man sogar "Staat" machen konnte. Und doch war unserem Landwirt Wilhelm Heinrich Herrlinger keineswegs wohl bei der Sache. Er hatte die ganze Gesellschaft eigentlich nur durch den Feldwebel Lehr in Ludwigsburg, der eine geborene Herrlinger zur Frau hatte, hier herbekommen. Lehr aber war ein enger Vertrauter und Mitverschworener von Oberleutnant Koseritz. Und damit haben wir eigentlich schon gesagt, um wen es sich bei den Besuchern handelt. Als Herrlinger dann des Weiteren erfährt, was unter seinem Dache Unheilvolles ausgebrütet werden solle, bekommt er es mit der Angst zu tun, er bittet die Gesellschaft, einen anderen Ort zu suchen, man einigt sich auf ein Gasthaus in Schlüchtern, er gibt ihnen noch einen jungen Mann, den Carl Ferdinand Eberbach als Führer mit, wahrscheinlich ging dieser mit ihnen über den Fußweg entlang des Baches und abseits der Straße, zum neuen Besprechungsort. Hier, in einem Billardzimmer, besprach man dann allen Ernstes die Einzelheiten des geplanten Aufstandes, den man nicht mehr lange hinausschieben sollte. Dr. Gärth versicherte, daß sich im Haus von Dr. Bunsen, einem Arzt in Frankfurt, Waffen und Munition für mehrere hundert Mann befänden. Die Artillerie der Frankfurter Bürgerwehr sei für die Revolution. Außerdem habe man zwei preußische Posener Regimente für die Sache gewonnen, auch das hessen-nassauische Militär sei “gut gestimmt". Das in Besancon liegende polnische Militär werde durch Elsaß und Rheinbayern marschierend, an der Revolution teilnehmen.

Gärth zahlte, wie der Apotheker Trapp später bei seiner gerichtlichen Vernehmung angab, dem Koseritz 300 Gulden, um die niederen Militärs zu gewinnen, womit vor allem das Unteroffizierskorps gemeint war. Vorarbeit hierin hatte Koseritz schon seit einem Jahr geleistet. Er bediente sich dabei vor allem des Feldwebels Samuel Lehr, der wie schon erwähnt, eine geborene Herrlinger zur Frau hatte. Beide hatten zwei Kinder, Lehr, der schon seit 1814 gedient hatte, besaß vor allem Vertrauen bei den Unteroffizieren. Diese trafen sich regelmäßig in ihrem eigenen Unteroffiziersverein zu geselligen Veranstaltungen, die meistens Ähnlichkeit mit studentischen Kommersen hatten. Anschließend konnte man zunächst einmal unauffällig Einfluß auf die Leute nehmen, von denen man sich leicht eine Mitwirkung versprach. Bei der Beurteilung dieser Männer darf man aber eines nicht übersehen, es läßt ihre Verfehlungen sicher in milderem Licht erscheinen: Die Standesunterschiede waren damals ja noch viel größer als heute. Wenn also ein Offizier sich kameradschaftlich herabließ, sie zu einer gemeinsamen Sache, dazu noch einer geheimen, einzuladen, so empfanden sie das als ungewöhnlich und fühlten sich geehrt. Lehr gar durfte sich als Freund und Vertrauter von Koseritz betrachten. Mit seinen wahren Absichten rückte Koseritz erst nach und nach heraus.

Interessant ist nun, daß bei der Schluchterner Besprechung Koseritz den Standpunkt vertrat, außer in Ludwigsburg sei in Württemberg nirgends die Stimmung zum Losschlagen vorhanden, doch glaube er, für die dort liegenden zwei Linieninfanterieregimenter einstehen zu können. Trotzdem wurde einstimmig beschlossen, innerhalb vier Wochen solle losgeschlagen werden, zu gleicher Zeit in Frankfurt und in Ludwigsburg. Durch die Annahme der Geldmittel hatte sich Koseritz endgültig gebunden, er stand auf einmal im Mittelpunkt der Verschwörung, obwohl er ohne die gleichzeitige Erhebung des Volkes überhaupt nicht an einen Erfolg glaubte.

Die Versammlung hätte eigentlich die ganze Breite der revolutionären Vorbereitungen repräsentieren sollen, aber es fehlten viele, u.a. auch Prof. Jordan aus Marburg, der als künftiger Regierungschef in Aussicht genommen war.

Erwähnt werden muß auch noch der Buchhändler Friedr. Frankh aus Stuttgart. Dieser verkaufte sein Stuttgarter Geschäft um 70 000 Gulden und versprach, 30 000 Gulden davon herzugeben für Bücher, mit denen das Volk “aufgericht" werden solle. Er hatte einige Zeit vorher Gärth gegenüber die Verhältnisse in Württemberg so dargestellt, als ob es überhaupt keine Zweifel am Gelingen des Aufstandes geben könne.

Das Frankfurter Attentat

Als der Tag zum Losschlagen nahe kam, schickte Koseritz am 29. März 1833 den Gürtler Dorn nach Frankfurt a.M., um Dr. Gärth zu erklären, daß die Sache in Württemberg noch nicht genügend vorbereitet wäre und er zur bestimmten Zeit noch nicht losschlagen könne. Gärth wütete und sandte Dorn an Koseritz zurück mit der Aufforderung, Wort zu halten und am 3. April unter allen Umständen die Revolution zu eröffnen; man könne nicht mehr zurück. "Ganz Kurhessen stehe schlagfertig; das Elsaß warte nur auf einen Wink; auf dem Taunusgebirge werde das Signal durch ein Feuer gegeben werden; 16 französische Departements seien zum Aufstand bereit."
Koseritz blieb bei seiner Meinung.

In Frankfurt aber nahm das Verhängnis seinen Lauf. Schlag 1/2 10 Uhr abends zogen die bei Dr. Bunsen versammelten Meuterer, 33 Mann stark, durch schwarz-rot-gelbe Armbinden kenntlich gemacht, unter Führung Bunsens, welcher eine polnische Militäruniform mit Epauletten trug, schweigend in der Richtung nach der Hauptwache. Sobald sie auf den freien Platz vor derselben getreten waren, stürmten sie auf das Kommando „Fällt's Gewehr!" unter Hurra-Geschrei und mit dem Ruf „Freiheit" und „Fürsten zum Land hinaus" auf das Wachgebäude zu. Der Posten vor dem Gewehr wurde bei dem Ruf: „Wache heraus!" durch einen Schuß von hinten niedergestreckt. Noch ehe die Wachmannschaft aus der Stube in die Vorhalle gelangen konnte, war sie schon durch die Meuterer von ihren Gewehren abgeschnitten und wurde durch die eingeschlagenen Fenster und durch die geöffnete Türe mit Gewehrfeuer empfangen. Sergeant Glitsch und ein Soldat blieben tot auf dem Platz; andere wurden durch Kugeln und Bajonettstiche verwundet. Der Rest der Mannschaft wurde aufgefordert, sich den Aufrührern anzuschließen: „Man würde sie sofort zu Unteroffizieren machen; heute gehe es in ganz Deutschland los, 40 000 Bauern seien im Anmarsch; es gelte der Kampf für Freiheit und Gleichheit." Ein Soldat, der die inzwischen zahlreich erschienene Bürger zu Hilfe rief, wurde von diesen verhöhnt. Ein anderer Soldat konnte aber dem Anerbieten der Meuterer, Geld anzunehmen und unter seine Kameraden zu verteilen, nicht widerstehen, er schob 57 Gulden in die Tasche. Ein Teil der Aufrührer gelangte in das obere Stockwerk, wo einige Bürger wegen Preßvergehens oder Randalierens gefangen saßen. Sie wurden freigelassen. Als dann aber die Empörer die Gewehre der Wache den umherstehenden Bürgern anboten, lehnten diese ab. Dr. Bunsen hielt an das Volk eine flammende Ansprache: „Bürger! geht nach Haus und holt euch Waffen! Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo ihr eure Freiheit er kämpfen sollt! Streitet für die Freiheit! Die Brüder aus Rheinbayern sind im Anzug. Es lebe die deutsche Freiheit!" Aber niemand konnte sich entschließen, aktiv mitzuwirken, Gut und Blut daranzusetzen. Mittlerweile bemühte sich Dr. Rauschen platt, eine mitgebrachte Rakete anzuzünden, die das Signal für die auswärtigen Teilnehmer des Komplotts geben sollte; er rief ständig nach Feuer, obwohl ringsum Handlaternen brannten; auch an die Benützung der vor der Hauptwache aufgestellten Kanonen dachte keiner, obwohl das vorgesehen war, es herrschte große Aufregung.

Auf die Nachricht von dem Überfall rückte gegen 10 Uhr (nachts) das ganze Bataillon des Frankfurter Militärs an. Daraufhin ergriffen die Meuterer ohne weitere Gegenwehr die Flucht, einige eilten nach der Konstablerwache. Diese war gleichzeitig wie die Hauptwache von einer zweiten Abteilung unter Führung Dr. Gärth's, des Hauptes der Verschwörer in Frankfurt, gestürmt worden. Während die Revolutionäre in der Hauptsache aus Studenten von allen möglichen Universitäten bestanden, zählten zu Gärth's Truppe auch ein ehemaliger Sergeant Zwick und verschiedene polnische Offiziere in Uniform, insgesamt 18 Mann. Ähnlich wie bei der Erstürmung der Hauptwache wurde zuerst der Posten durch Bajonettstiche unschädlich gemacht. Unter dem Kampfruf: „Es lebe die Freiheit! Revolution!" gaben sie eine Salve auf die Soldaten in der Wachstube ab. Da diese von ihren Gewehren abgeschnitten waren, ergriffen sie durch die Hintertür die Flucht. Sodann wurden die Gefangenen im oberen Stockwerk befreit, unter ihnen 8 Frankfurter, welche wegen eines 6 Monate zuvor unternommenen Versuchs der gewaltsamen Befreiung des revolutionären Literaten Freyeisen sich in Haft befanden. Aber nur einer der Inhaftierten schloß sich den Aufrührern an. Wirkungslos verhallte auch hier der Appell an die Bevölkerung, mitzumachen. Dann rückte auch hier das Militär an, in Verkennung der Lage allerdings nur ein Trupp von 24 Schützen. Bald sah sich der Offizier einem überlegenen Gegner gegenüber, der ihn mit Gewehrfeuer empfing. Es kam zu einem hitzigen Nahkampf, wobei es auf beiden Seiten Tote und Verwundete gab. Die Aufrührer mußten wichen, obwohl der Arzt Dr. Bunsen tapfer focht und auch seine Mitkämpfer beschworen hatte, standzuhalten. Nach der Verabredung sollte gleichzeitig mit dem Angriff auf die beiden Wachen die Sturmglocke der Domkirche geläutet und dadurch den Bewohnern des Umkreises das Zeichen zum Einmarsch in die Stadt und auf das Bundestagsgebäude gegeben werden. Dr. Bunsen hatte tags zuvor noch auf einer Versammlung in Bockenheim gesprochen und versichert, daß Bauern und Handwerksgesellen auf das Losschlagen warteten und dabei die Hoffnung geäußert, daß auch Bürgerschaft und Militär von der Revolutionslawine mit fortgerissen würden. Jetzt erwies sich das als Trug. Wohl hallte durch die Strassen noch der Ruf „Bürger heraus, Revolution!" aber hinter den Rufern kamen schon die nach allen Seiten ausgesandten Militärpatrouillen. Zum Glück für die Aufrührer kam der Befehl, alle Tore zu schließen, niemand mehr herein- oder herauszulassen, einige Stunden zu spät. Die Rädelsführer Bunsen, Gärth und Rauschenblatt entkamen.

Das bittere Ende

Nach dem Mißlingen der Frankfurter Erhebung dauerte es noch eine geraume Zeit, bis - eigentlich durch einen Zufall - auch die württembergischen Umsturzpläne der königlichen Regierung bekannt wurden. Am 7. Juni wurde Koseritz verhaftet. Gegen ihn und Lehr erkannte das Militärrevisionsgericht „wegen Hochverrats und einer zu diesem Zweck bei dem Militär angezettelten, auf einen Militär-Aufruhr gerichteten Meuterei auf Todesstrafe des Erschießens nach vorgängiger ehrloser Kassation bzw. Degradation." Als Termin für den Vollzug dieser Strafe wurde der 24. April 1835 (zwei Jahre hatte also die Untersuchungshaft gedauert), festgesetzt, als Ort der Exekution der kleine Exerzierplatz in Ludwigsburg bestimmt.

Tausende hatten sich an diesem Tag dort versammelt. Die beiden Delinquenten wurden auf den Platz geführt. Totenstille trat ein. Mit Abnehmen der Uniformzeichen und Zerbrechen des Degens von Koseritz wurde die Exekution eingeleitet. Das Exekutionskommando bekam den Befehl: „Macht euch bereit!" Lehr sinkt in die Kniee. Da - ein Ruf, ein Reiter sprengt zum Stuttgarter Tor herein, hoch in der Hand hält er eine Depesche. Sie verkündet des Königs Gnade!

Wer aber nun erwartet, zu erfahren, zu welchem Strafmaß Festungshaft die Todesstrafe umgewandelt worden sei, wird überrascht sein, wenn er hört, daß die beiden, mit Geldmitteln des Königs ausgestattet, bald darauf nach Amerika abgeschoben wurden. Lehr kehrte im Revolutionsjahr 1848 in die Heimat zurück, versuchte aber später mit Unterstützung von „Gönnern und Kassen" zum andern Mal in der Neuen Welt sein Glück. Dazu noch einige Worte: Daß Lehr so geradezu unwahrscheinlich glimpflich davonkam, gönnen wir ihm. Er war sicher eine einfache Natur, gewöhnt, vor allem zu gehorchen, mit einem heillosen Respekt vor den Offizieren, von denen zudem viele adlig waren. So konnte es Koseritz dann auch nicht schwerfallen, ihn behutsam in das Unheil zu verstricken. Etwaige Bedenken aber zerstreuten die damaligen Anführer mit der Behauptung, einen Unrechtsstaat gegenüber brauche man den Eid nicht zu halten.

Bleibt noch die Frage: Wie erging es den übrigen Mitverschworenen in Württemberg? Und da wird die Sache peinlich: Die fünf beteiligten Offiziere erhielten neben Ausstoßung aus dem Heer noch Festungsarrest zwischen 6 Monaten und vier Jahren, 10 Feldwebel Festungsarbeitsarrest zwischen 2 1/2 und 5 Jahren. Daß hier mit zweierlei Maß gemessen wurde war offensichtlich und es gab auch eine Erklärung hierfür: König Wilhelm hatte mit Koseritz während dessen Untersuchungshaft gesprochen und in einer landesväterlichen Aufwallung dem reuigen Sohn versprochen, ihm die Strafe zu erlassen, wenn er ihm wahrheitsgetreu alles erzähle. Daß die Gerichte hinsichtlich der vielen Angeklagten und in Ansehen der Auswirkungen nicht den gleichen großmütigen Maßstab anlegen konnten, war selbstverständlich, aber ein Königswort durfte nun einmal nicht gebrochen werden. Herzog Heinrich von Württemberg aber schrieb damals an einen Vertrauten: „... Demnach wäre Koseritz, dem Verführer, Freyheit zu Theil geworden und die Opfer seiner Verführung in Kerker" ... und "wenn das Land auch auf den Besitz eines solchen Verbrechers wie Koseritz verzichten kann, so ist seine Verweisung nach einem anderen Weltheil nicht minder ein Akt der Willkür, der die Verfassung verletzt."

Bleibt noch nachzutragen, daß Koseritz in Amerika eine Essigfabrik gegründet haben soll. Amerikanische Zeitungen meldeten, daß er im Sommer 1838 in einem amerikanischen Hospital gestorben sei.

Wilhelm Herrlinger war einige Zeit auf dem Aspergin Untersuchungshaft. (Der verstorbene Wilhelm Wolff, Sattlers Enkel, wußte das noch von seinem Großvater her). Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb - wurde er 1848 zum Landtagsabgeordneten des Landkreises Heilbronn gewählt, starb jedoch 1849.

Der Carl Ferdinand Eberbach verheiratete sich nach Backnang. Nebenbei noch: etwas auffällig für einen Großgartacher Buben - auch in der Schreibweise - ist der Vorname. Aber der Heilbronner Kaufmann Heermann (1806 - 1888) hieß ebenfalls Carl Ferdinand - und dessen Mutter war eine geborene Catharina Friederike Eberbach aus Großgartach.

Das Richard Wagner'sche Haus in der Heilbronner Straße, das sich durch seinen Baustil auch heute noch von den übrigen Häusern des Dorfes abhebt, wurde von Wilhelm Herrlinger erbaut, aber erst nach 1833. Die kurze Unterredung fand also wahrscheinlich noch im alten Gebäude statt, das sicher den gleichen Charakter hatte wie die anderen Häuser des Dorfes, also Spitzgiebel zur Straßenseite.

Otto Bögel

Quellen: Ilse, Leopold Friedr. Geschichte der politischen Untersuchungen - Diözesanarchiv von Schwaben, 25. Jahrg.1907
Literarische Beilage des Staatsanzeigers, Stuttgart 1910 - Hinweise von Herrn Prof. Dr. Riegraf aus Heilbronn.

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