Der Beginn der Turnbewegung und weiterer Sportorganisationen
„Der erfolgreiche Befreiungskrieg der Jahre 1813 – 1815 machte auch die Turnbewegung populär, bevor sich herausstellte, dass damit auch demokratische Ideen verbunden waren.
Nach dem Ende einer liberalen Phase nach dem Wiener Kongress, als einige deutsche Territorien mehr oder minder freiheitliche Verfassungen erhielten, setzte die politische Reaktion des Obrigkeitstaates ein.“
Quelle: Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Sports. München 2012. Seite 254
„Trotz dieser heftigen Reaktion und Unterdrückung begeistern sich Mitte des vergangenen Jahrhunderts zahlreiche junge Menschen an sportlicher Betätigung.
Sie erfreuen sich an den Reformplänen von Guts Muths, Jahn und Friesen, beherzigen das Motto ihrer Meister „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“ und schlossen sich vor allem in den größeren und mittleren Städten unserer engeren und weiteren Heimat zu Turnvereinen zusammen. Nach und nach aber mehrte auch auf dem Lande sportliche Erkenntnis und sportliches Verständnis.“
Quelle: Festschrift zum 60jährigen Jubiläum des Sportvereins Großgartach 1955
„In Stuttgart wurde mit öffentlicher Unterstützung 1817 der erste Turnplatz am Ende der Stadtallee eingeweiht, in Hamburg entstand der erste Turnverein, die Hamburger Turnerschaft.
In Württemberg genehmigte König Wilhelm I. 1818 die Einführung von Turnübungen in allen Lehrerseminaren. Mit Hilfe von Lehrern und Pfarrern breitete sich der Sport immer weiter aus.
1840 wird durch königlichen Erlass das Einrichten von Turnveranstaltungen erlaubt, worauf 1843 die ersten Turnvereine gegründet werden: der MTV Stuttgart und die SG Reutlingen.
1846 wird das erste größere deutsche Turnfest in Heilbronn mit ca. 1200 Teilnehmern veranstaltet, wenngleich es in der Zählung der Deutschen Turnfeste nicht berücksichtigt wird.
Das erste offizielle „Deutsche Turnfest“ ist 1860 in Coburg. Sportorganisationen und Fachverbände werden in dieser Zeit in zunehmendem Maße gegründet: 1848 der Schwäbische Turnerbund in Esslingen, 1868 die Deutsche Turnerschaft sowie die Fachverbände für Rudern (1883), Radfahren (1884), Kegeln (1885) und Segeln (1888). Der Deutsche Eislaufverband wird 1889 gegründet, ein Athletiksportverband (1891) und der Arbeiter-Turnerbund (1893)“
Quelle: 100 Jahre 1895 – 1995 Sportverein Leingarten
Entstehung der Arbeiterturnvereine
Arbeiter-Turn- und -Sportbund (ATSB)
Als Gegenbewegung zur nationalistischen Deutschen Turnerschaft (DT), die nur selten Arbeiter in ihren Reihen duldete, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts im Kaiserreich zahlreiche Arbeiterturnvereine. Ihr Zentralverband, der Arbeiter-Turnerbund (ATB), nannte sich nach dem Ersten Weltkrieg 1919 in Arbeiter-Turn- und -Sportbund (ATSB) um. Seine Schwerpunkte lagen nun nicht mehr ausschließlich beim Turnen. Leichtathletik, Handball und vor allem der Fußball waren in der Weimarer Republik die populärsten Sportarten.
Für den ATSB und seine Ende der zwanziger Jahre rund 770.000 Aktiven standen Breitensport und Förderung des Klassenkampfs gegenüber sportlichem Erfolg, Rekordstreben oder Nationalismus im Vordergrund. Dennoch ermittelten die ca. 8.000 im Deutschen Reich spielenden Fußballmannschaften ebenso wie die anderen Vereine des ATSB jährlich deutsche Meister. Im Sinne der "Verbrüderung der Arbeiterklasse" wurde im Juli 1922 in Leipzig das erste Deutsche Arbeiter-Turn- und -Sportfest mit 100.000 Aktiven aus 15 Nationen ausgetragen. Gewaltigen Aufmärschen und Kundgebungen schlossen sich Vergleichswettkämpfe an. Völkerverständigung war auch das Motto der ersten Arbeiter-Olympiade 1925 in Frankfurt. Auf der zweiten Olympiade in Wien trafen sich 1931 trotz der Weltwirtschaftskrise 77.000 Sportler aus 19 Verbänden der Sozialistischen Arbeitersport-Internationale (SASI), darunter 30.000 Aktive aus Deutschland.
Dem ATSB gelang es trotz seiner großen Popularität jedoch nie, die Dominanz bürgerlicher Sportvereine innerhalb der Arbeiterschaft zu durchbrechen. Die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) nahestehende Sportvereinigung wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verboten. Sportplätze, Turnhallen und Vereinsheime der Arbeitersportvereine eignete sich das NS-Regime an.
Quelle: Arnulf Scriba © Deutsches Historisches Museum, Berlin 2. September 2014
Text: CC BY NC SA 4.0
Frei Heil |
Gruß des Arbeiterturnerbundes ab 1899 |
Buchstaben „FFST“ |
für „Frisch, Frei, Stark, Treu“ |
Gut Heil |
Turnergruß ab 1846
offizieller Gruß der 1868 gegründeten „Deutschen Turnerschaft“
(als Grußwunsch schon im Mittelalter nachweisbar).
|
Buchstaben „FFFF“ |
Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei |
Gut Heil und TG Heilbronn
Mit den „Liedern für Männer-Turngemeinden“, die von der TG Heilbronn anlässlich des Turnfestes 1846 herausgegeben wurden, beginnt und schließt das Vorwort mit Gut Heil. Obwohl sich 1846 eine lebhafte Diskussion um einen allgemeinen Turnergruß in den regionalen Turnzeitungen, so im „Turner“ (Steglich, Dresden), im „Nachrichtsblatt“ (Ravenstein, Frankfurt) und in der „Turnzeitung“ (Euler und Lamey, Karlsruhe) entwickelte, wobei u. a. „GutsMuths“, „Heil Auf“, „Frisch auf“ als Turnergruß vorgeschlagen wurden, hat sich der Gruß Gut Heil seit dem Heilbronner Turnfest 1846 bei den Turnern durchgesetzt.
Der Arbeiter-Turnerbund (1893 – 1933) hat auf seinem 4. Bundestag in Nürnberg 1899 den Turnergruß Gut Heil in Frei Heil umgeändert. Die Skiläufer rufen sich Ski Heil, die Angler Petri Heil, die Jäger Weidmanns Heil zu.
Den Ausspruch Jahns von 1846 sollten sich die heutigen Turnerinnen und Turner zu eigen machen. Ihre Berührungsängste mit Gut Heil gründen in dem Missverständnis, der Turner-Gruß sei dem Nazi-Gruß verwandt. Wenn unsere Väter und Großväter nach der Machtübernahme der Nazis freiwillig oder auf Druck Turnergruß gegen den Nazigruß eintauschten, dann war das aus heutiger Sicht eine unerträgliche Verirrung: darum, liebe Turnerinnen und Turner (...) grüßt unverzagt (...) mit Gut Heil.
Frisch, fromm, fröhlich, frei
Symbole sind Zeichen, „die etwas Geistiges vergegenwärtigen (...) als Botschaft oder Signal, sind Mittel der zwischenmenschlichen Kommunikation“, zu verstehen als „Bindemittel für Gemeinschaften“, z. B. der großen Religionen der Welt ebenso wie in Turnen und Sport (Hg. Kling: Hessenturner 1994, Se. 530). Wer sich zu einem Symbol bekennt, identifiziert sich mit einer Organisation und akzeptiert deren Ziele (Bernett, 1992 HI, S. 16).
Fr. L. Jahn hat den Turnerwahlspruch „frisch, fromm, fröhlich, frei“ als Mittel der Werbung für den guten Zweck des Turnens geschaffen. Er steht heute noch so an der Giebelseite seines Hauses in Freyburg/Unstrut. Da Jahn sehr belesen war, ist davon auszugehen, dass er ihn einem endreimenden Spruch des 16. Jahrhunderts zum Ruhm studentischer Lebensart in Gegensatz zu Philistertum und Besitzdenken übernommen hat:
Frisch, frei, fröhlich, fromb;
Sind des Studenten Reichtumb!
„Frisch, Frei, Stark und Treu“
Der politischen Nähe der deutschen Emigranten mit den Turnern im ATB ist es wohl zuzuschreiben, dass der ATB auf seinem 8. Bundestag in Stuttgart 1907 die Einführung des Bundes(ab)zeichens „Frisch, Frei, Stark und Treu“ beschloss. (O. Drees, in: Achilles/Lüdecke, 1982, S. 75)